Einmal hat Elvis Costello für eine amerikanische Zeitschrift eine Liste mit 500 Platten der Pop-musik zusammengestellt, die man hören sollte. Würde man sie hören, hätte man den Grundkurs bestanden. Aber das wäre erst der Anfang. Denn jetzt müsste man auch all die anderen Platten von George Jones und Bob Dylan, von Scott Walker und Aretha Franklin, von Paul McCartney und Charlie Rich, von Solomon Burke und Allen Toussaint und Arthur Alexander und Hoagy Carmichael hören.
Oder man macht das nicht und hört die Alben von Elvis Costello. In Costellos Songs ist die gesamte Popmusik aufgehoben. Mit gehöriger Übertreibung könnte man sagen: Die Geschichte des populären Liedes ist in "Look Now" enthalten. Costello hat fünfJahre daran gearbeitet- es war die längste Interimszeit seiner Karriere. Er sammelte mit Konzerten das Geld für diese Platte. Es sind viele Instrumente und Musiker drauf und einige der schönsten Songs der Welt.
Wie immer ist Costello der präziseste Interpret seiner selbst, wenn er "Look Now" als Amalgam aus zwei seiner größten Platten bezeichnet: "Imperial Bedroom" von 1982 und "Painted From Memory" von 1998 - die eine ist sein Beatles-Album (mit dem Beatles-Toningenieur Geoff Emerick), die andere sein Burt-Bacharach-Album (mit Burt Bacharach). Auch auf "Look Now" sind einige Stücke, die Costello mit Bacharach schrieb: "Don't Look Now" und "Photographs Can Lie", meisterliche Costellos, meisterliche Bacharachs. Mit Carole King schrieb Costello "Burnt Sugar Is So Bitter". Die Imposters - Steve Nieve, Pete Thomas, Davey Faragher - spielen tänzelnd wie einst die Attractions (mit Ausnahme Faraghers sind es die Attractions) - aber es sind die Streicher, die Bläsersätze, die Chäre, das beiläufige Pfeifen, kurz die Grandezza der Arrangements und Costellos ergreifender Gesang, die so beglücken wie Bacharachs melancholische-euphorische Oden. Mit "Suspect My Tears" und "Why Won't Heaven Help Me?" erreicht der Schüler den Meister. Es ist eine Virtuosität, die vollkommen schwerelos ist.
Das letzte Stück des Albums (es gibt eine zusätzliche EP mit vier Stücken) haben Costello und Bacharach zusammen geschrieben. "He's Given Me Things", eine zarte Kammermusik, eine Ballade, in der eine Frau erklärt, weshalb sie bei einem Mann geblieben ist: "He's forgiven me trials and tears and tantrums/ And even all my false alarms." Der Song hat kein Finale. Er verklingt.
BESTER SONG: "He's Given Me Things"
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