Rolling Stone Germany, October 2004: Difference between revisions
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Kontrolle ist auch ein passendes Stichwort, um auf Costellos Karriere zurückzukommen. Mit dem Vorfall in Columbus schien er selbige vollkommen verloren zu haben. Er war gefangen in seinem eigenen Image, und gleichzeitig schien die Karriere nach den vermeintlich rassistischen Äußerungen den Bach runter zu gehen. Doch er löste dieses Problem, indem er einfach ein Anderer wurde. Schon ''Get Happy!!'' ließ den "angry young man" ein Stück hinter sich, ''Almost Blue'' und das leicht eklektische ''Trust'' gingen musikalisch auf die Zeit vor ''My Aim Is True'' zurück, und mit ''Imperial Bedroom'' hatte er sich endgültig von Punk und New Wave verabschiedet. | Kontrolle ist auch ein passendes Stichwort, um auf Costellos Karriere zurückzukommen. Mit dem Vorfall in Columbus schien er selbige vollkommen verloren zu haben. Er war gefangen in seinem eigenen Image, und gleichzeitig schien die Karriere nach den vermeintlich rassistischen Äußerungen den Bach runter zu gehen. Doch er löste dieses Problem, indem er einfach ein Anderer wurde. Schon ''Get Happy!!'' ließ den "angry young man" ein Stück hinter sich, ''Almost Blue'' und das leicht eklektische ''Trust'' gingen musikalisch auf die Zeit vor ''My Aim Is True'' zurück, und mit ''Imperial Bedroom'' hatte er sich endgültig von Punk und New Wave verabschiedet. | ||
Die Zeilen ''"Don't get smart or sarcastic / He snaps back just like elastic / Spare us the theatrics and the verbal gymnastics / We break wise guys just like matchsticks"'' aus dem Schlüsselsong "The Loved Ones" kann man durchaus als Kommentar zum alten Image lesen. Neil Youngs ''"It's better to burn out than to fade away"'' hält er im gleichen Song entgegen: ''"What would the loved ones say / He'll be remembered young and pretty / What would the loved ones say / Now he's a hit in every city / Now there's a name we'll never forget / There's one born every minute/ Don't pin a medal on me yet! They might be waiting for you.''" Nur die Besten sterben jung? Schön und gut, aber was würden die Liebsten dazu sagen? Mit Rock 'n' Roll hatte das nur noch wenig gemein. Große | Die Zeilen ''"Don't get smart or sarcastic / He snaps back just like elastic / Spare us the theatrics and the verbal gymnastics / We break wise guys just like matchsticks"'' aus dem Schlüsselsong "The Loved Ones" kann man durchaus als Kommentar zum alten Image lesen. Neil Youngs ''"It's better to burn out than to fade away"'' hält er im gleichen Song entgegen: ''"What would the loved ones say / He'll be remembered young and pretty / What would the loved ones say / Now he's a hit in every city / Now there's a name we'll never forget / There's one born every minute/ Don't pin a medal on me yet! They might be waiting for you.''" Nur die Besten sterben jung? Schön und gut, aber was würden die Liebsten dazu sagen? Mit Rock 'n' Roll hatte das nur noch wenig gemein. Große amerikanische Komponisten wie Gershwin und Cole Porter gehörten plötzlich zu den Referenzen. | ||
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Was wie ein Schritt nach vorn aussah, war eigentlich in der persönlichen Entwicklung ein weiterer Schritt zurück, zur Musik seiner Kindheit. „Ich habe sehr früh begonnen, Musik zu hören, weil ich in einem Haushalt aufgewachsen bin, in dem sich alles um Musik dreht, mit einem Großvater, der Musiker war, einem Vater, der Musiker ist und eine Mutter, die Schallplatten verkauft“, erklärt er seine musikalische Initiation. „Ich hab erst viel später gemerkt, was das für ein Gluck war, so früh allen möglichen Einflüssen ausgesetzt zu sein, ohne irgendwelche Vorurteile, ohne das Gefühl, dass die Musik einer Zeit immer einer bestimmten Generation gehört. Bebop habe ich damals allerdings nicht wirklich verstanden – das war die Musik, mit der mein Vater anfing, als er Trompete spielte. Und dann irgendwann machte er die Musik zu seinem Beruf – als Sanger in einem Tanzorchester. Und er war sehr gut. Er bezahlte mit der Musik die Miete. Das hat einen enormen Eindruck hinterlassen.“ Für die Miete reichte es bei Costello noch nicht, als er das erste Mal ein paar Kroten für sein Musikerdasein bekam: 1972 begleitete er seinen Vater bei der Aufnahme eines Werbe-Jingles für „R. Whites Lemonade“. Ross und Declan (im Hintergrund) sangen zusammen: „I’m a, I’m a, I’m a secret lemonade drinker.“ Der zugehörige Spot lief zwischen 1973 und 1984 im britischen Fernsehen und wurde ziemlich populär. | |||
Ross MacManus war lange Zeit Sanger beim traditionsreichen Joe Loss Orchestra, und brachte jederzeit die neuesten Veröffentlichungen aus Pop und Jazz mit nach Hause. Auch die Beatles legten noch Wert darauf, von Tanzorchestern gespielt zu werden, und so gab es für Declan immer schon Wochen vor Veröffentlichung einer neuen Beatles-Single ein rares Promoexemplar. Ein nicht zu unterschätzender Vorsprung damals. Ausserdem liefen im Hause MacManus standig Burt Bacharach, Charlie Parker, Dizzy Gillespie, Frank Sinatra, Charles Mingus, Peggy Sue, Miles Davis und Cole Porter rauf und runter. | |||
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Wenn man sich Costellos Output der spätern 80er und der 90er Jahre anschaut – die Zusammenarbeit mit Paul McCartney und mit der Dirty Dozen Brass Band auf „''Spike''“ und „''Mighty Like A Rose''“, mit den Jazz Passengers beim Meltdown Festival 1994 und mit Roy Nathanson auf dessen Album „''Fire At Keaton’s Bar And Grill''“, mit der Mingus Big Band, die Balladenalben „''All This Useless Beauty''“ und „''North''“, besonders aber „''Painted From Memory''“, die Kooperation mit Burt Bacharach – liegt die Vermutung nahe, dass die Motivation des Costelloschen Spätwerkes vor allem darin besteht, irgendwie in den Plattenschrank reinzukommen, vor dem er als Junge immer gesessen hatte. Doch diese nostalgische Deutung weist er entschieden von sich: „Nein, nein. Als ich anfing Gitarre zu spielen und Songs zu schreiben, wusste ich, dass ich nichts anderes in meinem Leben tun wollte. Ich musste nur einen Weg finden, dafür bezahlt zu werden. Das war meine Motivation. Ich wollte für niemand anderen arbeiten und jeden Morgen früh aufstehen, um zur Arbeit zu gehen. Gestern bin ich zwar tatsächlich um halb acht morgens aufgestanden, ich war um zehn bei den Rehearsals und dann den ganzen Tag im Lincoln Center, weil ich natürlich ein bisschen nervös war und sicher gehen wollte, dass alles klappt. Ich bin nun am Ende von zwei Wochen voller Rehearsals und intensiver Auftritte und bin sehr erschöpft. Aber das ist okay, denn ich tue das ja ausschließlich für mich.“ | |||
Bequemlichkeit kann man ihm wirklich nicht vorwerfen. Als ich ihn frage, wann denn der letzte Tag gewesen sei, an dem er absolut nichts mit Musik zu tun gehabt habe, lacht er ein bisschen verzweifelt auf. „Ich wusste gar nicht, dass es sowas gibt.“ Er hatte es so viel einfacher gehabt, wenn er einfach noch ein paar Hits wie „Oliver’s Army“ oder „Everyday I Write The Book“ geschrieben hatte, anstatt sich immer wieder neue musikalische Herausforderungen zu suchen. „Ich habe das nie bereut“, sagt er entschlossen. „Dadurch, dass ich frühzeitig damit angefangen habe, mich für andere Stil- und Spielarten zu interessieren, habe ich tun will. Außerdem ist das der Grund, warum ich noch arbeite, weil ich in meiner Karriere nicht das große Geld gemacht habe. Ich meine, ich bin nicht arm oder so, aber ich habe auch nicht unglaubliche Reichtümer angehäuft wie andere Künstler aus meiner Generation. Die müssen nicht mehr fürs Geld arbeiten und sich stattdessen andere Motivationen suchen. Ich dagegen ''muss'' arbeiten. Ich habe gewisse Verantwortungen und ich will die Bewegungsfreiheit behalten, die ich jetzt habe. Ich bin wieder verheiratet, und wir leben ja zeitweise hier in New York und zeitweise in British Columbia. Ich brauche das Geld für die Flugtickets.“ | |||
Direkt nach „''Imperial Bedroom''“, seinem ersten, kommerziell vergleichsweise erfolglosen Ausflug in die höhere Kunst, schien er sich seiner Sache noch nicht so sicher zu sein und machte nochmal einen Rückzieher: Zusammen mit den Hitproduzenten Clive Langer und Alan Winstanley nahm er das für manche unwiderstehliche „''Punch The Clock''“ auf, den blank polierten ersten Nagel in den Sarg der tosenden Attractions, die hier so unmündig musizieren, dass sie auch auf einem Billy Joel-Album nicht weiter gestört hatten. „Das war natürlich eine kommerzielle Platte“, gibt Costello zu. „Clive Langer und Alan Winstanley wollten ein Hitalbum machen, und ich hab dafur ein paar Songs geschrieben. Ich glaube, die meisten davon waren nicht so gut. Ich wusste, dass ‚Shipbuilding‘ und ‚Pills and Soap‘ sehr gut waren, der Rest war aber schon irgendwie okay. Das waren halt Popsongs, die kann ich jederzeit im Schlaf schreiben. Ich war nicht besonders besorgt um diese Platte, ich wusste, dass sie erfolgreich werden würde, und da war mir egal, ob sie sonst noch irgendwie bedeutend sein würde.“ | |||
'''Andere Songs scheinen dir da mehr zu bedeuten. Im Konzert mit den Imposters vor ein paar Tagen hast du neben den neuen Songs vor ein paar Tagen hast du neben den neuen Songs vor allem ganz frühe Sachen wie „Waiting For The End Of The World“, „You Belong To Me“ und „Radio, Radio“ gespielt.''' | |||
Ich denke, die sind irgendwie zeitlos und immer noch wahr. Ich singe sie natürlich nicht mehr mit der gleichen Wut, mit der ich sie damals schrieb. Es ist aber schon, so viele eigene Songs zu haben. Wenn ich nach einem guten R&B-Song suche, kann ich auch einen von meinen eigenen nehmen. Es ist komisches Gefühl, zu wissen, dass es auch einer von meinen eigenen sein konnte und dass andere Leute meine Songs gecovert haben. Die Nachwelt interessiert mich nicht besonders, aber egal, wie du dazu stehst, irgendwann landest du in den Geschichtsbüchern. Im englischen Wörterbuch – ich meine das „Collins Dictionary“ – da steht mein Name drin. Ich weiß nicht warum, denn ich bin ja eigentlich nicht so berühmt, ich habe ja nicht gerade Millionen von Schallplatten verkauft. | |||
'''Was für eine Definition steht denn da drin? „Angry young man“? „Secret lemonade drinker”?''' | |||
(''lacht''). Ja, vermutlich haben sie keine besonders umfassende Beschreibung meiner Person, ein paar Zeilen halt. Aber ist das nicht seltsam, ich meine – Himmel! – ich bin da drin, neben Hitler und Picasso. Da muss man dann erstmal (''schnappt nach Luft'') nach Luft schnappen. Das bedeutet schon was, wesentlich mehr, als in die Rock’n’Roll Hall Of Fame aufgenommen zu werden jedenfalls. | |||
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{{tags}}[[The Imposters]] {{-}} [[Concert 2004-07-15 New York|Avery Fisher Hall]] {{-}} [[New York]] {{-}} [[The Delivery Man]] {{-}} [[Rhino]] {{-}} [[Edsel]] {{-}} [[Almost Blue]] {{-}} [[Goodbye Cruel World]] {{-}} [[Kojak Variety]] {{-}} [[Metropole Orkest]] {{-}} [[I Hope You're Happy Now]] {{-}} [[Waiting For The End Of The World]] {{-}} [[You Belong To Me]] {{-}} [[Radio, Radio]] {{-}} [[Bruce Thomas]] {{-}} [[Davey Faragher | |||
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Auszug aus der am 31. Oktober erscheinenden umfassenden Costello-Biografie „Complicated Shadows“ von Graeme Thomson (Canongate Books, ca 28 Euro) | Auszug aus der am 31. Oktober erscheinenden umfassenden Costello-Biografie „Complicated Shadows“ von Graeme Thomson (Canongate Books, ca 28 Euro) | ||
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<center><h3> All The Rage </h3></center> | |||
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'''Man sollte sich gut überlegen, ob man sich mit Elvis anlegt. Schnell wird man zum OPFER seines nächsten Songs. Hier einige klassische Beispiele ''' | |||
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'''I’m Not Angry'''<br> | |||
Der Titel ist natürlich ein Witz. Der Song geht zumindest thematisch zurück auf das Jahr 1974, als Costello und seine Freundin (und spätere Frau) Mary sich kurzzeitig trennten und sie in eine kurze Affäre mit Flip City-Bassist Michael „Mich“ Kent schlitterte, der – wie der Rest der Band – im gleichen Haus wohnte. Schon damals hatte Costello mit „Imagination (Is A Powerful Receiver)” einen Song darüber geschrieben doch „I’m Not Angry“ beschreibt die Situation detailierter; „You’re upstairs with the boyfriend while I’m left here to listen / I hear you calling his name, I hear the stutter of ignition/ I could hear you whispering as I crept by your door / So you found some other joker who could please you more.” | |||
'''Pump It Up'''<br> | |||
Nicht immer musste Costello sich für seine Verbalattacken Opfer suchen, häufig führte Selbsthass zu seinen besten Songs „Pump It Up“ schrieb Costello während einer Attractions-Tour 1977 im Notausgang des „Swallow Hotel“ in Newcastle, nach seinen ersten Erfahrungen mit dem, was man wohl „Rock’n’Roll-Lifestyle“ nennt. „Es wurde so schlimm, dass ich gezwungen war, ‚Pump It Up‘ zu schreiben. Ich meine, wie oft kannst du Sex haben, wie viele Drogen kannst du nehmen, bevor du so betäubt bist, dass du überhaupt nichts mehr fühlst?“ Auslöser war wohl die Affäre mit einer gewissen Faye Hart, die sich selbst Farrah-Fuck-It-Minor (eine Anspielung an die Schauspielerin Farrah Fawcett-Majors) nannte und die etwa zur gleichen Zeit auch eine Affäre mit Attractions-Bassist Bruce Thomas hatte. „She’s been a bad girl/ She’s like a chemical/ Though you try to stop it / She’s like a narcotic.” | |||
'''Men Called Uncle'''<br> | |||
“When you wake up with X-rated eyes/ When you wake up still shaking/ How can I apologize/ As you check your effects and check your reflection/ I’m so affected in the face of your affection.” Einer von vielen Songs auf “''Get Happy!!''” über die Affäre mit dem ehemaligen Playmate Bebe Buell, die auf der „Armed Funk“-Tour 1979 begann. „Men Called Uncle“ ging aus einem Streit hervor, in dem ein eifersüchtiger Costello Buell vorwarf, sie habe hinter seinem Rucken Affären mit anderen (älteren) Männern. „Uncle“ wurde schließlich unter den Attractions sine neuer Spitzname. | |||
'''Pills And Soap'''<br> | |||
Ursprünglich inspiriert von einem Film über Tierquälerei, diente dieses Szenario aber vor allem als Sinnbild für die politische Situation in England und als Ausgangspunkt einer Attacke gegen die Tories und das britische Königshaus. „The king is in the counting house/ Some folk have all the luck/ And all we get are pictures of Lord and Lady Muck/ They come from lovely people with a hard line in hypocrisy / There are ashtrays of emotion for the fag ends of aristocracy.” Doch der Film hatte noch weitere Auswirkungen: Costello wurde zum Vegetarier, und als er bei der anschließenden Amerika-Tour Probleme mit der Stimme hatte, nannten die Attractions ihn äußerst liebevoll „the barking cabbage“ – der bellende Kohlkopf“. | |||
'''Tramp The Dirt Down''' <br> | |||
Dieses musikalisch so liebliche Stück von „Spike“ ist eine der schärfsten Attacken, die Costello gegen seine Lieblingsgegnerin Margaret Thatcher richtete. „Tramp The Dirt Down“ war für Costello nach eigener Aussage „kathartisch, vielleicht besser, als sie zu erschießen – aber nicht viel besser.“ Als Thatcher 1991 als Premierministerin von John Major abgelöst wurde, änderte Costello den Song um fugte unter anderem folgende Zeilen hinzu: „While I pity those that forgot and forgave/ I believe she should be hounded down into her grave/ Along with the glove puppet that they put in her place.” | |||
'''How To Be Dumb''' <br> | |||
„Now you’ve got yourself a brand new occupation/ Every fleeting thought is a pearl/ And beautiful people stampede to the doorway/ Of the funniest fucker in the world.” Auf diesem Song von “''Mighty Like A Rose''” trifft’s Attractions-Bassist Bruce Thomas. Nach dem vorläufigen Ende der Band im Dezember ’86 hatte er begonnen, seine Tour-Erlebnisse zu einem Roman zu verarbeiten. Daraus wurde schließlich Ende der 80er „''The Big Wheel''“, in dem Costellos Name nie explizit auftaucht, aber trotzdem klar ist, um wen es sich bei dem rundlichen und ungewaschenen Protagonisten handelt, den Thomas „The Singer“ bzw. „The Pod“ nennt. „You always had to dress up your envy in some half-remembered philosophy.” | |||
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„''The Delivery Man''“ kommt über einen wie ein Destruktionswerk, eine Auflösung, eine Auslöschung. Da ist der herrliche Krach von „''Blood & Chocolate''“, da sind die alten Costello-Melodien, da ist die heisere, aufgekratzte Stimme. Und sie schimpft: „Don’t want to talk about the government/Don’t want to talk about some incident/Don’t want to talk about some peppermint gum/Don’t want to talk about the time to come.” Elvis und die Imposters – Steve Nieve, Pete Thomas und Davey Faragher am Bass – spielen mit der Wucht der ganz frühen Costello-Platten. „Country Darkness“ ist eine blutende, fast, hysterische Ballade, bei „There’s A Story In Your Voice” kräht die dreckige Stimme von Lucinda Williams dazwischen, „Either Side Of The Same Town“ wurde bei Konzerten erprobt und ist fast ein konventioneller Song, bei „Bedlam“ knüppelt Thomas‘ Schlagzeug, „The Delivery Man“ mit pathetischen Nieve-Piano entwickelt sich mählich zum großen Schauspiel. | „''The Delivery Man''“ kommt über einen wie ein Destruktionswerk, eine Auflösung, eine Auslöschung. Da ist der herrliche Krach von „''Blood & Chocolate''“, da sind die alten Costello-Melodien, da ist die heisere, aufgekratzte Stimme. Und sie schimpft: „Don’t want to talk about the government/Don’t want to talk about some incident/Don’t want to talk about some peppermint gum/Don’t want to talk about the time to come.” Elvis und die Imposters – Steve Nieve, Pete Thomas und Davey Faragher am Bass – spielen mit der Wucht der ganz frühen Costello-Platten. „Country Darkness“ ist eine blutende, fast, hysterische Ballade, bei „There’s A Story In Your Voice” kräht die dreckige Stimme von Lucinda Williams dazwischen, „Either Side Of The Same Town“ wurde bei Konzerten erprobt und ist fast ein konventioneller Song, bei „Bedlam“ knüppelt Thomas‘ Schlagzeug, „The Delivery Man“ mit pathetischen Nieve-Piano entwickelt sich mählich zum großen Schauspiel. | ||
Bei drei Stucken singt Elvis , der Bewunderer von Gram Parsons, mit Emmylou Harris. Deren Gesang geht mit Elvis‘ leidenschaftlichem Gekrächzte durchaus zusammen, die Dame bleibt aber zunächst – bei „Nothing Clings Like Ivy“ – kühl. Von drei Frauen soll dieses Album handeln, den Frauen des ''Delivery Man''. Es wird ein wenig Zeit brauchen, bis man Costellos wie üblich höchst wortreiches und ebenso kompliziertes Beziehungsgeflecht annähernd durchschaut hat. Vielleicht bleibt es auch bei dem Versuch, denn Elvis hat die Enden seiner sonischen Untersuchungen nicht verknüpft. | |||
„''The Delivery man''“ ist dennoch eine grossartige, freilich schwierige Platte. Durchzogen von Echos alter Songs und ironischer Zitate. Zum Bersten gespannt mit der Radikalitat des Alten. Kompromisslos gespielt von Virtuosen. Atemlose, verschlungene Attacken wie „The Name Of This Thing Is Not Love”. Schwerer Herzschmerz beim Country-tear-jerker “Heart Shaped Bruise”. Orgelnder, polternder Rock’n’Roll in „Needle Time“. Das von Solomon Burke bekannte „The Judgement“. ''New Wrath!'' | |||
Ein entscheidender Schritt auf dem Weg zum bosen alten Mann. Bitte laut aufdrehen, sonst wirkt es nicht. ''(Universal)'' | |||
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Revision as of 15:46, 14 June 2024
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