Eines ist sicher: Elvis Costello hat jede einzelne Zeile seiner Autobiografie "Unfaithful Music. Mein Leben" selbst geschrieben. Denn jeder Ghostwriter oder Lektor, der etwas auf sich hält, hätte angesichts der elliptischen und episodenhaften Erzählweise des britisch-irischen Musikers weinend das Handtuch geworfen.
In Kontrast zum Großteil der auf dem Markt befindlichen Rockstar-Memoiren ist Costellos Buch keine chronologische Aneinanderreihung von Suff-Eskapaden, Backstage-Vögeleien und verspäteten Abrechnungen mit Kollegen. Nein, "Unfaithful Music" funktioniert wie ein auf 784 Seiten ausgebreiteter Costello-Song: wortgewaltig, scharf beobachtet, gespickt mit lakonischem Humor, frei assoziierend.
Rasant springt Costello, mit bürgerlichem Namen Declan Patrick MacManus, zwischen den Stationen seines bewegten Lebens hin und her: das Aufwachsen in grauen Vorstädten, die Begegnung mit Paul McCartney, erste Gehversuche als Songwriter, die politisch extrem aufgeladene Thatcher-Ära, der Ruhm, Erinnerungen an die geliebte Großmutter.
Das Verzetteln ist Programm
"Unfaithful Music" ist – im positiven Sinne – das literarische Äquivalent zu einem Thekengespräch nach Mitternacht, wenn der Wermutbruder am Hocker daneben beginnt, seine Lebensgeschichte zu erzählen. Die Konversation kommt ständig vom Hundertsten ins Tausendste, Schnurre reiht sich an Schnurre, das Verzetteln in bezaubernden Nebenschauplätzen ist Programm. Und irgendwann beginnt der Zuhörer die losen Fäden dieses Erinnerungsstroms miteinander zu verknüpfen, Verbindungen zwischen Realität und Kunst tun sich auf. Besonders berührend sind dabei jene Passagen, in denen Costello die schwierige Beziehung zu seinem Vater, Sänger in einer renommierten Big Band und bekennender Lebemann, aufarbeitet.
Ein Tipp für Fans: Parallel zum Erscheinen von "Unfaithful Music" kommt ein gleichnamiger, höchst empfehlenswerter Soundtrack mit insgesamt 38 Songs auf den Markt. Neben zahlreichen Liedern, deren Entstehungsprozess in Costellos Memoiren nachgezeichnet werden, finden sich darauf auch zwei bis dato unveröffentlichte Nummern.
Elvis Costello: "Unfaithful Music – Mein Leben", Berlin Verlag, 784 Seiten, 30,90 Euro
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