Hamburg. Als kleiner Junge hat Elvis Costello manchmal abends eine BBC-Radioshow gehört, erzählt er, und dabei mitgesungen, bei ausgeschaltetem Licht, damit ihn keiner sah. Aber wenn er sich gerade warmperformt hatte, kam der Wetterbericht ...
Am Montagabend braucht Costello keine lange Aufwärmphase, um das Publikum in der Laeiszhalle zu erobern. Schon eine Minute vor acht steht er auf der Bühne, natürlich mit Hut, und begrüßt Hamburg zum Finale seiner "Detour". Die Bühne hat Retro-Charme, vor der Kulisse eines überdimensionalen TV-Geräts mit Holzrahmen steht eine beeindruckende Menge an Instrumenten – Flügel, sieben Gitarren und Ukulele -, als käme gleich eine Band heraus.
Mit "Church Underground" beginnt der Ausflug in die Welt seiner Songs, in denen es um Frauen geht, die von einem anderen Leben träumen, um Männer, die im Regen stehen, um all die Irrungen und Wirrungen zwischen Liebe, guten Vorsätzen und Gin-getränkten Vorstadtkneipen. Man merkt Costello noch den langjährigen Festival-Rocker an, er traktiert seine Zwölfsaitige manchmal mit Griffen wie ein Klempner, etwa bei "Watching The Detectives". Dann wieder spielt er am Flügel so konzentriert und versunken, als wäre er allein. Zum Beispiel "Shipbuilding", das Lied, in dem sich eine Stadt über neue Jobs in den Werften freut, aber da werden Kriegsschiffe gebaut.
Der Fernsehschirm im Hintergrund zeigt Bilder aus alten Musikfilmen oder Kinoplakate, die zu diesem Kosmos passen, und Familienfotos. Costello erzählt, wie schon sein Vater Ross McManus in den 50ern als Sänger und Trompeter in einer Radio-Dance-Band unterwegs war, mit Illusionisten und Akrobaten; sein Großvater spielte im Ersten Weltkrieg in Militärkapellen, in der Inflationszeit stand er dann an den Bahnhofsecken – für ihn spielt er "Jimmy Standing In The Rain".
Costello ist in allen Genres zu Hause, von Country und Rockabilly bis Punk. Er kann wunderbare Harmonien komponieren, aber dann scheint ihn ein tief sitzendes Unbehagen zu befallen, und er bricht diese Harmonien mit Taktwechseln oder Dissonanzen auf, weil das Leben eben kompliziert ist – Easy Listening ist mit Costello nicht zu machen. Dafür schafft er eine fast familiäre Nähe zu seinen Zuhörern, darunter erstaunlich viele Frauen mit Nana-Mouskouri-Brille und Herren in Jeans und Jumper. Viele sind offenkundig vertraut mit Songs wie "She", "Face In The Crowd" oder "Alison". Immer wieder stürmen Einzelne nach vorn und lassen sich ein Autogramm geben. Costello bedankt sich hutschwenkend, genießt am Ende Standing Ovations. Erst nach fünf Zugaben lassen sie ihn ziehen.
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